Die Gelehrtenrepublik

Dieser Roman von Arno Schmidt erschien erstmals bereits im Jahr 1956 und wurde seither immer wieder neu aufgelegt. Das Buch gehört zu den populärsten Texten Schmidts, was auch die zahlreichen Übersetzungen in andere Sprachen belegen.

Erzählt werden die Abenteuer des jungen kanadischen Journalisten Charles Henry Wiener, der sich im Jahr 2008 auf dem Weg zur geheimnisumwitterten IRAS – der "International Republic for Artists and Scientists" – befindet. Nach einem verheerenden 3. Weltkrieg haben sich die Vereinten Nationen, unter der Regie der USA und der UdSSR, darauf geeinigt, ein Refugium für Kunst und Wissenschaften zu errichten, um weitere kriegsbedingte Verluste von Kunstwerken und von Wissen zu vermeiden. Diese "Gelehrtenrepublik" ist ein gigantisches Schiff, eine schwimmende Insel mit Antrieb, die in den Rossbreiten kreuzt und einer ausgewählten Schar von Künstlern und Wissenschaftlern als Heimat dient. Wiener erhält als erster Journalist seit langem die Erlaubnis, die IRAS zu besuchen und darüber einen Artikel zu verfassen. Dieser darf jedoch nur in einer "toten" Sprache erscheinen – deutsch! Nach der totalen Vernichtung Europas im "letzten" Krieg gibt es nämlich auch kein Deutschland mehr.

Dem Roman vorangestellt sind tabellarische Daten von fiktivem Autor und Übersetzer, die durchaus zum Verständnis der (satirischen) Fußnoten beitragen, welche das Buch durchziehen: Oft hat der Übersetzer (im Gegensatz zum Leser) keine Ahnung, wovon jeweils die Rede ist. Wieners Abenteuer beginnen jedoch schon während der Anreise, die offensichtlich sabotiert werden soll. Sein Heißluftballon stürzt ab, sein Marschgepäck enthält nur nutzlose Utensilien und seine Nahrung ist vergiftet. Nur mit der Hilfe von Zentauren, mutierten Mischwesen aus Mensch und Pferd, überlebt er den Marsch durch den strahlenverseuchten "Hominidenstreifen", der die USA in zwei Hälften teilt.

Endlich auf der Insel, gerät Wiener bald zwischen die Fronten, die sich dort zwischen Steuerbord- und Backbordseite (Sinnbild des politischen Ost-West-Konfliktes) gebildet haben. Er soll als Vermittler fungieren, erhält dadurch Zugang in die jeweiligen Hälften und muss erkennen, dass auch hier nicht die Kunst, sondern die Politik regiert. Trotz seines aufopferungsvollen Einsatzes in diversen Betten auf beiden Seiten scheitert seine Mission. Das Schlussbild der kreiselnden Insel (hervorgerufen durch gegenläufige Schraubenumdrehungen am Antrieb jeder Inselseite), ist ebenso ein Zeichen der Sinnlosigkeit des politischen Streites wie eine Reminiszenz an Jules Vernes L’ILE A HÉLICE von 1895 (deutsch DIE PROPELLERINSEL). Diesem Buch verdankt die IRAS auch ihre Proportionen und ihre äußere Gestalt, die von Schmidt als Umrisszeichnung erstellt und dem Buch als Illustration beigegeben ist.

Schmidt brennt ein Ideenfeuerwerk ab, das von Mutanten über gentechnische und militärische Erfindungen bis hin zu utopisch-satirischen Bildern fast die gesamte Breite des SF-Spektrums abdeckt. Seine Ironie und der schwarze Humor, der das Buch durchzieht, machen es leicht wett, dass die politische Grundkonstellation von 1956 heute keinen Bestand mehr hat.

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