Kallocain
Der Ich-Erzähler Leo Kall arbeitet als Chemiker für den "Weltstaat", der sich in ständigem Kriegszustand mit einem System befindet, das sich nicht weniger anmassend "Universalstaat" nennt. Alle Bürger seines Landes sind in erster Linie Militärs, sie reden sich gegenseitig als "Mitsoldat" an und verachten jedes Anzeichen von Schwäche und Gefühl. Selbst die Beziehungen zwischen Familienmitgliedern sind rein funktionell. Privatsphäre gibt es nicht, Überwachungsapparate und staatliche Hausangestellte garantieren, dass jeder sich zufrieden und loyal verhält. Die Kinder werden bereits ab dem fünften Lebensjahr in Lagern indoktriniert. Diese frühe Gehirnwäsche ist so wirkungsvoll, dass Kall zu Anfang der Geschichte unfähig ist, auch nur die Möglichkeit einer anderen Lebensweise in Betracht zu ziehen. Er ist ein stumpfer, bürokratischer Kleingeist, ein gehorsamer Handlanger des Systems.
Kall wird in die Welt der großen Politik hineingezogen, als er eine Erfindung macht, für die sich die Regierung und besonders der Geheimdienst interessieren: ein Wahrheitsserum, das für kurze Zeit Furcht und Scham auslöscht und so jeden Menschen dazu bringt, seine innersten Gefühle freizulegen. Er gibt ihm den Namen "Kallocain" und ist überzeugt, der Gesellschaft einen wichtigen Dienst erwiesen zu haben, denn nun lassen sich sogar abweichlerische Gedanken bestrafen. Aber als er das Mittel an Versuchspersonen testet, muss er zu seinem Entsetzen feststellen, dass jeder schuldig ist. Selbst die heldenhaften Märtyrer des "Freiwilligen Opferdienstes" tragen verachtenswerte Schwächen und unkontrollierte Triebe in sich. Allmählich beginnt Kall sogar an seiner eigenen Untadeligkeit zu zweifeln. Die Schuld dafür schiebt er allerdings auf seinen Vorgesetzten Edo Rissen und steigert sich nach und nach in einen regelrechten Verfolgungswahn hinein.
Rissen hatte schon zu Anfang der Testreihe behauptet, das gesellschaftliche System sei darauf aufgebaut, dass jeder im Weltstaat ein notorisch schlechtes Gewissen habe. Damit steht er einer Sekte von Abweichlern nahe, die durch das Wahrheitsserum entlarvt werden. Sie glauben an eine humanere Form des Zusammenlebens und an einen pazifistischen Messias namens Reor. Kall sorgt schließlich dafür, dass Rissen als Verräter vor Gericht gestellt und exekutiert wird. Die Denunziation fällt Kall umso leichter, da er sich einredet, Rissen habe ein Verhältnis mit seiner Frau Linda, für die er eine quälende Hassliebe empfindet. Am Ende kann er der Versuchung nicht widerstehen, Linda mit Hilfe des Kallocains zu einem Geständnis zu zwingen. Aber er erfährt zu seiner Bescmung, dass sie immer gehofft hatte, er würde sein antrainiertes Misstrauen überwinden und aus ihrer Vernunftehe eine echte Partnerschaft machen. Trotz der geistigen Vergewaltigung ist Linda bereit zu einem Neuanfang. Sie bekennt ihm freiwillig ihre Träume von einer Gesellschaft mit mütterlichen Werten, in der Frauen mehr sind als bloße Gebärmaschinen. Bevor Kall allerdings sein neues Eheglück genießen kann, wird die Stadt von den Truppen des Universalstaats überfallen. Er wird in die Gefangenschaft verschleppt, wo er schließlich die Autobiographie "Kallocain" niederschreibt.
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